Anonyme Zeugenaussage: Das Exil der Väter

Ich weiß nicht, ob ich jemals Gerechtigkeit erfahren werde, aber vielleicht erreicht meine Stimme jemanden. Auch wenn es nur eine Person ist.

Ich heiße M. – ich möchte meinen vollständigen Namen nicht nennen. Ich habe beschlossen, meine Geschichte zu erzählen, weil ich nichts mehr zu verlieren habe. Außer meinen Kindern. Meinen zwei kleinen Kindern. Und vielleicht nicht einmal sie.

Ich war ein ganz normaler Mann. Ich habe jeden Tag von früh bis spät gearbeitet, um meine Familie zu ernähren. Eine körperlich anstrengende, erschöpfende, aber ehrliche Arbeit. Ich habe nie zugelassen, dass es meiner Familie an etwas fehlte. Am Abend kam ich völlig erschöpft nach Hause, mit einem einzigen Wunsch: meine Kinder in den Arm zu nehmen, ihre Stimmen zu hören, für sie da zu sein. Ich war der Einzige, der die Familie versorgte, und ich habe mich nie darüber beklagt.

Doch zu Hause hatte sich die Stimmung verändert. Meine Frau war oft abwesend, abgelenkt, ständig am Telefon. Das Haus war unordentlich, die Kinder sich selbst überlassen. Eines Tages sagte ich ihr – ohne laut zu werden –, dass es so nicht weitergehen könne. Dass ich Hilfe bräuchte, dass ich es alleine nicht mehr schaffe. Ich habe sie nur gebeten, mehr präsent zu sein. Für mich, für unsere Kinder. Nicht mehr.

Und dann, nur wenige Tage später, war mein Leben vorbei.

Ich wurde verhaftet. Angeklagt. Wie eine Gefahr behandelt. Es gab keine Untersuchung, keine Gelegenheit, etwas zu erklären. Nur die Anschuldigung. Nur ihr Wort. Keine Beweise. Kein Gehör.

Man hat mich von meinem Zuhause entfernt. Von meinen Kindern getrennt. Ich darf mich meinem eigenen Haus nicht einmal mehr nähern. Ich habe alles verloren. Meine Würde, meinen Schlaf, meine Hoffnung. Und dabei habe ich niemandem jemals etwas angetan. Niemals. Ich habe nur um Respekt gebeten. Ich habe nur darum gebeten, nicht allein gelassen zu werden in einem Haus, das ich noch immer als unser Zuhause betrachtete.

Und dann, Monate später, kam der Freispruch. Der Richter erkannte an, dass ich keine strafbare Handlung begangen hatte. Aber es war zu spät.

Denn mein Leben – das hat mir niemand zurückgegeben.

Ich bin noch immer fern von meinem Zuhause. Ich sehe meine Kinder nicht mehr. Ich habe keinen Ort mehr, zu dem ich zurückkehren kann. Und ich zahle noch immer allein die Raten für ein Haus, aus dem ich wie ein Fremder verbannt wurde. Wie ein Schuldiger. Nicht von der Justiz, die mich letztlich freigesprochen hat, sondern von der Gesellschaft, die nicht einmal den bloßen Verdacht verzeiht.

Das ist das Exil der Väter.

— M.


Redaktioneller Hinweis
Dieses Zeugnis wurde uns telefonisch vom Autor persönlich übermittelt. Er hat uns erlaubt, seine Worte zu transkribieren und zu veröffentlichen. Er möchte anonym bleiben, hat uns jedoch bestätigt, dass er im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurde. Und dennoch bleibt er bis heute von seinem Zuhause und vom Leben seiner Kinder ausgeschlossen. Wir können nicht jedes Detail überprüfen, aber wir glauben, dass es eine moralische Pflicht ist, jenen eine Stimme zu geben, die durch bloßen Verdacht gebrochen wurden. Die Justiz hat ihren Weg genommen. Das Leben hingegen ist stehen geblieben.

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