Beim Verarbeiten der Trauer gab es für mich immer einen Punkt, den ich nie ganz akzeptieren konnte: den Geschmack der Niederlage. Ein anhaltender Nachgeschmack, eine Bitterkeit im Hals, die keine Phase, kein Stadium der Akzeptanz je ganz aufzulösen vermochte.
Aber ist das wirklich das Höchste, was man von der Verarbeitung eines Verlustes erwarten kann?
Es gibt einen genauen Moment, in dem der Schmerz Gestalt annimmt – wenn er aufhört, eine undefinierbare Wolke zu sein, und sich an einem Punkt im Herzen verdichtet. Für mich war das nicht ein einziger Moment, sondern eine lange Abfolge von Augenblicken, in denen ich erkannte, dass etwas, das meinem Leben Sinn gab, nie mehr so zurückkehren würde, wie es war.
Am Anfang war es ein Strudel. Ein scheinbar endloser Kreislauf, genährt von drei Worten, die wie ein grausames Mantra in mir kreisten: Schmerz, Wut, Traurigkeit. Ich durchlebte sie abwechselnd, manchmal alle auf einmal, manchmal nacheinander – aber immer mit derselben verzehrenden Intensität.
Und doch geschah etwas. Ich weiß nicht, ob es ein einzelner Moment war oder ein langsamer Prozess, aber in diesem Kreislauf öffnete sich ein Riss. Und durch diesen Riss trat etwas anderes hindurch. Kein Trost. Keine einfache Erleichterung. Sondern Tiefe, echtes Mitgefühl (keine Mitleid), Liebe.
Die Tiefe kam, als ich aufhörte, vor dem, was ich fühlte, davonzulaufen. Als ich jede Emotion widerstandslos durch mich hindurchfließen ließ, wie einen Fluss, den man nicht aufhalten kann. Als ich erkannte, dass ich bis dahin oberflächlich gelebt hatte und dass diese Gefühle meinem Dasein Bedeutung verliehen.
Mitgefühl kam, als ich mich von außen betrachtete und einen Mann sah, der nicht schwach war, sondern den Weg verloren hatte.
Und dann schließlich die Liebe. Nicht als Reue, sondern als neue Gegenwart. Eine Liebe, die nichts verlangt – nicht einmal Anwesenheit –, die keine Antwort braucht, aber dennoch existiert. Eine Liebe, die fließt.
Ich weiß nicht, wann dieser Wandel begann. Aber ich weiß sicher, dass es das Schreiben war, das ihm Gestalt verlieh. Schreiben bedeutete, dem Schmerz einen Namen zu geben, ihn zu fassen, ohne ihn zu löschen, ihm zu erlauben, sich zu verwandeln. Jedes geschriebene Wort nahm dem Schatten Macht, brachte Licht zur Wahrheit. Schreiben war der Weg, sichtbar zu machen, was in mir lebte, und es in etwas zu verwandeln, das bleiben konnte – ohne zu verletzen.
Ich bin kein Psychologe, und dieser Text – der vielleicht der Prolog eines Buches ist – basiert nicht auf einer Theorie, sondern auf einem realen, monatelangen Weg durch die dunkelsten und tiefsten Winkel der menschlichen Seele. Es ist ein emotionaler Text, aber auch ein logischer. Denn ohne Logik droht der Schmerz, pures Chaos zu werden.
Anfangs sah ich keine Wahl, die nicht meine Niederlage bedeutete – eine Art seelisches Zugzwang. Dann begriff ich etwas Einfaches und Revolutionäres: Wenn alle Optionen zur Niederlage führen, muss man das Spielfeld wechseln, die Spielregeln ändern. Und genau das habe ich getan. Ich hörte auf, das auferlegte Spiel zu akzeptieren, und schuf einen neuen Raum. Nicht, um gegen den anderen zu gewinnen, sondern um mich selbst nicht zu verlieren.
Und dann geschah etwas noch Größeres: Der in Liebe verwandelte Schmerz wurde unantastbar. Nicht mehr nur Akzeptanz – zerbrechlich und widerruflich durch ein Urteil oder eine Anschuldigung – sondern eine höhere Ebene, unzugänglich für Zerstörung. Diese Liebe kann nicht mehr geleugnet, verdreht oder lächerlich gemacht werden: Sie hat die Schwelle überschritten. Sie lebt in einem Raum, der nicht mehr dem Konflikt gehört, sondern der tiefen Wahrheit.
Dieser Text beginnt genau hier. An dem Punkt, an dem der Schmerz aufhörte, nur Zerstörung zu sein, und begann, sich in Wahrheit zu verwandeln. In eine andere Form des Lebens.
Um diesen Übergang authentisch zu schildern, habe ich beschlossen, auch jene ersten Briefe wieder zur Hand zu nehmen, die ich in den dunkelsten Momenten geschrieben habe – wenn die Dunkelheit der Nacht mir den Atem raubte und die einzige Sprache, die ich kannte, die der Wut, der Verbitterung, des Gerechtigkeitshungers war. Diese Worte waren kein Fehler: Sie waren der Ausgangspunkt. Von dort aus öffnete sich der Weg. Das Schreiben hat mich geführt, mich gezwungen, ohne Ausflüchte in mich hineinzuschauen. Und Schritt für Schritt hat es einen Raum geöffnet, in dem eine absolute Liebe zu meinen Kindern entstehen konnte – eine Liebe, die nichts fordert, die nicht anklagt, sondern einfach nur existiert und schützt.
182 lange, schlaflose Nächte, erzählt mit den Eindrücken des Augenblicks, gesammelt heute – da es mir scheint, endlich den Weg wiedergefunden zu haben.