Ich bin weder Theologe noch Intellektueller noch ein Mann der Macht.
Ich bin ein Vater, ein Bürger, ein zweifelnder und unruhiger Gläubiger, der noch immer das Bedürfnis – vielleicht die Pflicht – verspürt, an etwas Höheres zu glauben.
Nicht unbedingt etwas Transzendentes, aber sicherlich etwas, das größer ist als das Ich. Etwas, das ruft, das Orientierung gibt, das zusammenhält, was täglich zu zerfallen droht.
Vor allem aber bin ich ein verratener Vater. Verraten von der Justiz. Vom Staat. Von der öffentlichen Meinung. Und ja, sogar von der Kirche.
Gerade deshalb verspüre ich heute mehr denn je das Bedürfnis, ein Wort an den neuen Papst zu richten.
Ich schreibe diesen Brief an Leo XIV nicht aus Überheblichkeit, sondern aus Dringlichkeit.
Ich habe eine Welt entdeckt, die eine feste Stimme, eine moralische Autorität, ein Stoppsignal für den Niedergang braucht. Wir leben in einer verwirrenden Zeit, in der Gut und Böse infrage gestellt werden, in der sich die Wahrheit in tausend Meinungen auflöst und das Leiden der einfachen Menschen von den Palästen – auch den kirchlichen – oft ignoriert wird.
Mich interessiert die Rolle der Kirche, denn ob sie es will oder nicht, die Kirche spricht zur Welt.
Wenn sie schweigt, wiegt das Schweigen schwer. Wenn sie flüstert, wächst die Verwirrung. Wenn sie sich beugt, verlieren die Gewissen die Orientierung.
Ich schreibe auch für jene, die die Kirche mit Ernüchterung, mit Misstrauen, manchmal sogar mit Unmut betrachten.
Für jene, die die Kirche als einen Ort der Repression, als entleerte Institution, als Relikt der Vergangenheit sehen.
Für jene, die sie nur mit Fehlern, Missbrauch und Unterlassungen identifizieren.
Ihnen möchte ich sagen, dass die moralische Führung der römischen Kirche noch immer Stimme und Zuflucht sein kann – aber nur, wenn sie weniger dogmatisch und mehr verkörpert wird.
Ohne ihr spirituelles Herz zu verleugnen, aber indem sie eine konkrete Präsenz in der Gesellschaft wird – letzte Bastion gegen einen vorherrschenden Relativismus, der alles nivelliert, der alles verwischt.
Ich habe Erwartungen, weil ich immer noch glaube – vielleicht unbeirrbar –, dass die Kirche Licht sein kann.
Kein Licht, das schmeichelt, sondern eines, das erhellt. Kein Spiegel der Welt, sondern ein Zeichen des Widerspruchs. Keine diplomatische Kraft, sondern das spirituelle Gewissen der Menschheit.
Und gerade weil mich der erlittene Verrat den Preis der Ernüchterung hat zahlen lassen, fordere ich heute – für mich und für die, die nach mir kommen – ein klares Wort. Kein zweideutiges. Kein ängstliches.
Ich schreibe also, weil ich die Pflicht verspüre, Zeugnis abzulegen.
Denn wenn Väter schweigen, wer wird dann für die Kinder sprechen?
Und wenn Gläubige aufhören, etwas vom Papst zu erwarten, was wird dann aus der Kirche?
Mein Appell ist kein nostalgischer, sondern ein ethischer.
Ein Aufschrei, der die Kirche bittet, wieder eine moralische Autorität zu werden, fähig, Grenzen zu setzen – nicht um auszuschließen, sondern um zu bewahren.
Wir haben gesehen, wohin uns eine Vorstellung von Inklusion ohne Form, ohne Wurzeln, mit zu flexiblen Grenzen geführt hat: in Verwirrung, Orientierungslosigkeit, in die Verwässerung der Wahrheit.
Heute mehr denn je braucht es eine Führung, die sich nicht schämt zu sagen, was gut und was böse ist.
Nicht um zu urteilen, sondern um zu schützen. Nicht um zu unterdrücken, sondern um zu retten. Das ist kein Ruf nach Zustimmung.
Es ist ein Akt des Gewissens.
Ein Aufschrei, der gehört werden will – bevor es zu spät ist.