Wir leben in einer Gesellschaft, die sich für frei, modern und erfüllt hält.
Man hat uns erzählt, dass – wenn jeder seinem eigenen Interesse folgt –
eine unsichtbare Hand uns zu Gleichgewicht, Wohlstand und Glück führen wird.
Das war die grundlegende Illusion.
Heute erschafft diese unsichtbare Hand nichts mehr.
Sie ist geworden zur Hand, die trennt, verlässt, isoliert.
Es ist die Hand des unmenschlichen Algorithmus:
Die entscheidet, was Aufmerksamkeit verdient und was nicht,
wer gehört wird und wer vergessen werden darf.
Eine Hand, die alles nach Effizienz, Leistung und Begehrlichkeit misst.
Und die in menschliche Beziehungen die gleiche Logik wie im Konsum eingeführt hat.
Es gibt keinen Raum mehr für Bindung. Keine Zeit mehr für Fürsorge. Der Vater wird „nicht mehr funktional“. Die Mutter wird „per Dekret selbstgenügsam“. Kinder werden zu emotionalen Investitionsprojekten, zu beschützen – und doch zu trennen.
Und während all das geschieht, empören wir uns nicht mehr. Wir halten nicht einmal mehr inne vor einem Mann am Boden, einem Vater, der weint, einem Kind, das sich entfernt.
Das ist die letzte Wirkung dieser unsichtbaren Hand: die Betäubung des Gewissens.
Wir sind nicht freier geworden.
Wir sind einsamer und kälter geworden.
Man hat uns eingeredet, Glück sei etwas Persönliches, Individuelles, Privates.
Und im Namen dieses abstrakten Glücks
haben wir zugelassen, dass alles zerstört wurde, was uns einst verband.
Familien. Gemeinschaften. Leben. Liebe.
Ich habe die Auflösung meiner Familie erlebt, nicht als Folge von Bosheit, sondern als Ergebnis eines Systems, das Bindung nur duldet, wenn sie effizient ist.
Ich habe Verlassenwerden als vorherbestimmtes Schicksal erfahren, Trennung als sozialen Code, Gleichgültigkeit als Beziehungsstandard.
Und ich habe erkannt:
Wenn man heute ein Mensch bleiben will,
muss man dieser unsichtbaren Hand widerstehen.
Man muss den Algorithmus ablehnen, der einem sagt, wer man ist und was man wert ist.
Man muss fühlen, zuhören, weinen, sich erinnern.
Man muss bleiben – wenn alle anderen gehen.
Denn die einzige Revolution, die heute noch möglich ist, ist: nicht aufzuhören, Mensch zu sein.