Es war einmal ein zehnjähriges Mädchen. Sie hieß Lía und war ein aufgewecktes Kind – viel wacher, als die Erwachsenen dachten.
Eines Tages, ganz plötzlich, sagte man ihr, dass sie ihren Papa nicht mehr sehen dürfe.
Man sagte, er sei ein schlechter Mensch, gefährlich. Dass er ihr wehtun könnte. Anfangs glaubte Lía ihnen. Die Erwachsenen wirkten überzeugt, sie benutzten ernste und traurige Worte.
Eine müde aussehende Frau in einem grauen Kleid – die Sozialarbeiterin – sagte ihr, es sei „zu ihrem eigenen Wohl“.
Eine andere Frau, in schwarzer Robe, erklärte, es sei „eine Schutzmaßnahme“.
Aber Lía erinnerte sich anders. Sie erinnerte sich an die Hände ihres Vaters, wie er ihr auf die Schaukel half, an seine Stimme, die Gutenachtgeschichten vorlas,
an seine Augen – müde, aber gütig – und vor allem an seinen Blick: als ob sie das Wichtigste auf der Welt sei.
Und so begann etwas in ihr zu zweifeln. Vielleicht stimmte nicht alles, was man ihr sagte.
Vielleicht benutzten manche große Worte, um etwas ganz Kleines zu verbergen – aber etwas sehr Wichtiges: **die Wahrheit.**
Dann, eines Tages, als sie gerade das Haus verließ, sah sie in der Ferne ein geparktes Auto.
Darin saß ihr Vater. Lía blieb stehen. Ihr Herz klopfte. Sie wusste, dass sie nicht hingehen durfte.
Sie wusste, dass jemand sie zurückrufen würde. Aber sie spürte: Dieser Moment gehörte ihr.
Nur ihr. Also hob sie die Hand und schickte ihm einen Kuss.
Einen kleinen, zitternden, stillen Kuss. Aber einen echten. Und das war der Anfang der Revolution.