Das Verratene Licht

Illustration La_luce1

Es war einmal ein junges Mädchen mit großen, von Sehnsucht erfüllten Augen. Sie lebte in einem dürren Dorf, wo Worte wie trockene Blätter zu Boden fielen – und niemand sich bückte, um sie aufzuheben.

Eines späten Sommertages, unter Umständen, die niemand je ganz verstand, erschien ein reifer Mann – fremd, gut gekleidet und mit dem Anschein, genau zu wissen, wohin er ging. Sie waren verschieden, grundverschieden. Und doch zog sie etwas zueinander – wie zwei Sterne, die einander streifen und sich für einen flüchtigen Moment in eine Supernova verwandeln: ein Licht von extremer Intensität, sichtbar für jedes bloße Auge, das es betrachten wollte. Es war kein Gesetz des Universums, sondern Zufall – ein seltener, vielleicht einzigartiger Zufall: zwei Sterne aus verschiedenen Galaxien, deren Bahnen sich kreuzten.

In den Augen des Mädchens verkörperte dieser Mann die Möglichkeit, ihre Träume zu erfüllen – und sie beschloss, ihm zu folgen. Er suchte kein Vergnügen – sein Leben war leer, und in ihr sah er etwas, das es zu schützen, zu bewahren lohnte. Er wollte sie nicht besitzen, sondern mit ihr gemeinsam einen Traum erschaffen.

Illustration La_luce1

Der Mann schwor sich, dass es die Aufgabe seines Lebens sein würde, dieses junge Mädchen glücklich zu machen. Sie feierten ihre Verbindung unter einem uralten Baum, dessen Wurzeln tief in die Erde griffen und dessen Äste den Himmel streiften. Sie gaben sich ein Versprechen, das auf keinem Papier stand, aber das der Wind zwischen den Blättern zu bewahren schien. Um diesen Moment zu besiegeln, tauschten sie zwei geschmiedete Eisenringe und hängten ein Vorhängeschloss an die Brücke der Versprechen, wo sie schworen: „Wir werden für immer gemeinsam leuchten.“ Von jenem Tag an war jede Geste, jedes Wort, jeder Schritt eine Huldigung an dieses stille Versprechen.

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Sie bauten ein Zuhause, und in diesem Zuhause – während die Wände noch nach Lavendel und Hoffnung dufteten – erschienen drei kleine Wesen. Niemand sah, wie sie kamen: Es war, als hätte jener Sternenkontakt durch ihre Verschmelzung drei Lichtstrahlen hervorgebracht, die lautlos in die Morgendämmerung glitten. Geboren aus Liebe und Sehnsucht, als hätte das Glück Gestalt angenommen – mit Armen und neugierigen Augen. Ihre Spiele und ihr Lachen erfüllten das Haus mit der Magie der Leichtigkeit. Sie schufen eine gemeinsame Sprache, einen geteilten Weg.

Jahre vergingen, mit all den Höhen und Tiefen, die das Leben mit sich bringt. Doch sie blieben vereint – und das erlaubte ihnen, Hindernisse zu überwinden. Sie hielten ihr Versprechen: Wenn ein Problem auftauchte, sprachen sie miteinander, sahen sich dabei in die Augen – und alles endete mit einem Lächeln.

Illustration La_Montagne

Der Mann verließ seine Heimat und willigte ein, an einem Ort inmitten der Berge zu leben, wo er die Sprache nicht sprach und sich einem fremden Land anpassen musste. Er tat es für sie. Er sprach es nie laut aus, doch jede seiner Gesten schrie es hinaus.

Es vergingen Monate. Der Mann begann zu erkranken; sein Licht war schwächer geworden. Vielleicht, weil die Berge es blockierten. Anfangs war nichts zu sehen – nur eine anhaltende Müdigkeit, ein tieferer Schmerz. In seinen Augen leuchtete nichts mehr, doch seine Hingabe war ungebrochen. Er war weiterhin da, wenn auch immer stiller.

Anfangs schien sie besorgt. Doch der Mann, der sie kannte wie seinen eigenen Atem, spürte, dass etwas nicht stimmte. Als sie Ärzte rief, um ihn zu untersuchen, tat sie es mit einem fernen Ton, als wäre es nur eine Formalität. Und das verletzte ihn.

Die Krankheit verschlimmerte sich. Sein Licht wurde schwächer. Sein Bedürfnis nach ihr wuchs. Langsam verwandelte es sich in Abhängigkeit. Und sie, die einst seinen Schutz gesucht hatte, begann sich erdrückt zu fühlen. Unzufrieden. Es war an der Zeit zu geben, nachzugeben, zu opfern. Sein fehlendes Licht mit dem ihren zu ersetzen. Und sie dachte, sie sei nicht bereit dazu.

Sie hatte von einer Hexe gehört, von der man sagte, sie wisse, wie man solche Probleme löse. Und an sie wandte sie sich.

Illustration La_luce4

Der Mann verließ seine Heimat und willigte ein, an einem Ort inmitten der Berge zu leben, wo er die Sprache nicht sprach und sich einem fremden Land anpassen musste. Er tat es für sie. Er sprach es nie laut aus, doch jede seiner Gesten schrie es hinaus.

Es vergingen Monate. Der Mann begann zu erkranken; sein Licht war schwächer geworden. Vielleicht, weil die Berge es blockierten. Anfangs war nichts zu sehen – nur eine anhaltende Müdigkeit, ein tieferer Schmerz. In seinen Augen leuchtete nichts mehr, doch seine Hingabe war ungebrochen. Er war weiterhin da, wenn auch immer stiller.

Anfangs schien sie besorgt. Doch der Mann, der sie kannte wie seinen eigenen Atem, spürte, dass etwas nicht stimmte. Als sie Ärzte rief, um ihn zu untersuchen, tat sie es mit einem fernen Ton, als wäre es nur eine Formalität. Und das verletzte ihn.

Die Krankheit verschlimmerte sich. Sein Licht wurde schwächer. Sein Bedürfnis nach ihr wuchs. Langsam verwandelte es sich in Abhängigkeit. Und sie, die einst seinen Schutz gesucht hatte, begann sich erdrückt zu fühlen. Unzufrieden. Es war an der Zeit zu geben, nachzugeben, zu opfern. Sein fehlendes Licht mit dem ihren zu ersetzen. Und sie dachte, sie sei nicht bereit dazu.

Sie hatte von einer Hexe gehört, von der man sagte, sie wisse, wie man solche Probleme löse. Und an sie wandte sie sich.

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Sie trat vor das Gericht und erklärte, sie habe sich bedroht gefühlt. Sie sagte, dass dieser Mann, einst voller Liebe, sie nun ersticke. Dass sein verblassendes Licht versuche, sie in die Dunkelheit zu ziehen.

Der Mann wurde vorgeladen. Er versuchte, sich zu erklären. Er sagte, die Krankheit habe das Licht seines Herzens ausgelöscht. Er bat um Vergebung.

Doch das Königliche Gericht hatte keine Ohren. Nur weiße Augen und lange Finger, die auf andere zeigten und Urteile in die Luft schrieben.

„Eine Frau der Undankbarkeit zu beschuldigen“, erklärten sie, „ist ein Verbrechen gegen das neue Licht. Und die Strafe ist der Verlust all dessen, was man je geliebt hat.“

Und so geschah es.

Sie nahmen ihm seine Kinder. Sie nahmen ihm sein Zuhause. Sie nahmen ihm seine Stimme. Und mit dem Erlöschen seiner drei Lichtstrahlen trat der Mann in das Schweigen ein.

Seiner drei Strahlen beraubt, fand sich der Mann in einer wachsenden Dunkelheit wieder. Sein einst warmes und volles Licht schwächte sich, bis es erlosch. Vielleicht starb er nicht — aber niemand hörte je wieder von ihm.

Sie hingegen strahlte. Mit einem neuen, scheinbaren Licht. Alles um sie herum funkelte. Doch keines dieser Lichter war echt. Es war ein Glanz, der nicht wärmte.

Viel später, in einer Nacht, kehrte der Mann zurück. Nicht im Fleisch. Sondern in einem Traum. Er sprach nicht. Er sah sie nur an.

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Und in den Augen des Mannes – erschöpft, schweigend, doch unversehrt in seiner Wahrheit – lag Vergebung. Und die Liebe von einst. Die Art von Liebe, die kein neues Licht jemals hatte auslöschen können.

Sie erwachte. Das Herz raste. Der Atem war kurz. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Es war die Kälte nach der Explosion. Das schwarze Loch, das Materie und Licht verschlingt. Stille.

Sie öffnete die Augen in ihrem goldenen Bett, unter einem Kronleuchter aus Kristall. Alles um sie herum glitzerte. Doch dieses Licht wärmte nicht. Es sprach nicht. Es war künstliches Licht – gespiegelt, seelenlos.

Und dann verstand sie: Das wahre Licht war in dem Moment verraten worden, als sie vergaß, woher es kam.

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